ZEESBOOTFAHRT UND HIPPIE-GEFÜHLE
Ich wache auf und glaube, es sei Freitag. Mattias behauptet, es sei schon Samstag. Ich bin mir aber so sicher, dass ich einen Beweis will. Er zeigt mir das Datum auf seinem Handy. Es trifft mich wie eine Keule, dass der Urlaub wirklich morgen schon vorbei sein soll und es macht mich traurig. Die Zeit ist wie im Flug vergangen.
Schnell springe ich aus dem Bett, der Tag soll genutzt werden!
Schon Morgens scheint die Sonne in unser Zimmer, der Wind weht und verspricht eine gute Zeesbootfahrt, die wir mit Anett und Andrea und den Kindern geplant haben. Im Hafen schaukeln die Boote im Wasser und der Himmel ist blau, nur ein paar weiße Wolkenfetzten werden dahingetrieben. Am Tisch auf der Nachbarterasse sitzt eine getigerte Katze die mich freundlich anzwinkert. Nach dem Frühstück wollen wir nach Ahrenshoop an den Strand, dort gibt es zwar die Strandkörbe, die man aus jedem Ostsee-Prospekt kennt, aber das Meer ist heute so wild und aufbrausend und der Wind so stürmich und kalt, dass wir dann doch beschliessen, nach Zingst zu fahren.
Kurz vor Zingst entdecken wir unseren zukünftigen Lieblings-Strand.
Er liegt gleich hinter einem Stück Wald und einer Düne. Das „FKK- Gelände Ostseebad Prerow.“ Hier sind kaum Leute, die wenigen Leute die man verstreut am weitläufigen Strand rumlaufen sieht sind nackt und haben auch keine Traumfiguren, also haben wir keine Bedenken und laufen rum wie Gott uns schuf. Mir fällt eine Zeile aus einem Lied von Steffi Werger ein und es geht mir nicht mehr aus dem Kopf, ich summe vor mich hin:
„Salzige Küsse, am weissen Strand,
den Wind auf der Haut und die Haar voll Sand
und wahrhaftig leben“.
Ich fühle mich so wohl dort, es ist als ob die Welt hier noch in Ordnung wäre. Freiheit, Frieden, Nacktheit, Natur… was braucht ein Mensch?
Mittags fahren wir windzerzaust und mit Sand in den Schuhen zurück ins Zimmer und rasten ein wenig aus, bevor uns Anett abholt.
DIE ZEESBOOTFAHRT
Anett holt uns vom Hotelzimmer ab und fährt mit uns zum Hafen in Wieck am Darß, wo sie uns zu einer Zeesbootfahrt mit Schipper RUDI eingeladen hat.
Rudi ist ein Unikat. Braungebrannt und stoppelbärtig, mit blauweiß gestreiftem Hemd und weißer Hose mit Hosenträgern. Er hat eine laute Stimme, spricht plattdeutsch und erklärt uns „Landratten“ wie man sich auf seinem Zeesboot zu verhalten hat. Wer ins Wasser fällt, sagt er, wird an den Ohren wieder rausgezogen und einen Tag lang zum trocknen an den Mast gehängt, ganz oben, (an den Ohren natürlich) und man sähe deshalb hinterher aus wie ein Hase und wenn man dann durchs Dorf geht, lachen einen die Leute aus. Ausserdem, sagt er, gäbe es im Bodden ein Seemonster (er zeigt auch gleich anschauliches Bildmaterial, von einem Kind gezeichnet)- dieses Monster hieße Schwabbel und wenn man Bierdosen oder anderen Unrat in den Bodden wirft, wird Schwabbel sauer.
Zum Spaß könne er (Rudi) aber schonmal einen Eimer voll Kinderpipi auf Schwabbels Kopf leeren. (Und die Jungs sollten möglichst nicht gegen den Wind pullern, sonst gäbe es eine Überraschung für die anderen Gäste am Boot) Dann werden die Segel gesetzt und es geht raus, der Wind bläst uns um die Ohren, die Segel flattern im Wind und Rudi erzählt uns warum die Zeese Zeese heißt.
Zeesboote sind die traditionellen Fischerboote auf`m Darß. Die Zeese ist das Netz, das seitlich am Schiff befestigt im Wasser liegt und während der Fahrt die Fische einfängt. Die Kinder dürfen sich vorne ins Netz legen und so knapp über dem Wasser dahinsegeln und wenn Rudi „WENDEN!“ ruft, legen sich alle die am oberen Teil des Bootes sitzen schnell flach auf den Rücken und machen die Köpfe runter, damit das Segel sie nicht am Kopf trifft.
Manchmal macht mir die Schräglage des Bootes Sorgen, aber solange Rudi entspannt ist, bin ich es auch, er muss ja schließlich sein Boot kennen.
Wir fahren fast zwei Stunden durch den Bodden, die Kinder dürfen steuern und schaffen es tatsächlich zwischen zwei Bojen durch zu fahren, bekommen Applaus und die Zeit vergeht wie nix.
Zurück im Hafen parkt Rudi sein Boot besser ein als ich ein Auto in der Tiefgarage. Ich kann jedem nur empfehlen, so eine Zeesbootfahrt zu machen, es ist ein echtes Erlebnis und lässt auch ein Gefühl dafür entstehen, wie es früher hier gewesen sein muss, als nicht Touristenschwärme das Bild der Ostsee bestimmten, sondern die Fischerei.
Rudis Boot heißt „Marie Luise“ und wurde 1903 gebaut. Und man hat so das Gefühl, Rudi wäre schon auf seinem Boot geboren.
Bei Interesse sind Reservierungen (Erwachsene 12 Euros, Kinder 6 Euros, Vierpfoten 2 Euros) bei SCHIPPER RUDI HINRICH telefonisch möglich: 0171- 6240973
Fotos findet ihr hier: http://www.raabenweib.de/2011/08/23/zee…uf-m-dar%C3%9F/
Liebe Grüße, Sonja (Teil fünf folgt!)