Da wir demnächst für eine Woche erstmals nach Israel reisen werden, habe ich gerade ein sehr gutes Buch erneut gelesen, das in Israel spielt und das ich hier gerne empfehlen möchte:
Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken
Ein
Arzt überfährt eines Nachts aus Versehen einen illegalen Einwanderer aus
Eritrea. Da es keine Zeugen zu geben scheint und der Mann wahrscheinlich
ohnehin sterben wird, meldet Etan den Unfall nicht, um sich Ärger zu ersparen
und seine ohnehin bereits angeknackste Karriere nicht endgültig aufs Spiel zu
setzen. Doch am nächsten Tag klopft es an der Haustür und die Frau des Opfers
steht vor ihm. Für ihr Schweigen verlangt sie eine Gegenleistung, die Etan dazu
zwingt, fortan ein Doppelleben zu führen und seine Ehefrau Liat, die als
Kripobeamtin mit dem Unfalltod des illegalen „Infiltranten“ betraut wird, von
nun an zu belügen …
In
der Folge entwickelt sich eine vielschichtige und spannende Handlung um Hass
und Liebe, Schuld und Moral, die so einige Fragen aufwirft, wie z.B.
Was
ist ein Menschenleben wert? Ist das Leben eines illegalen Flüchtlings weniger
wert als das eigene? Wie lässt sich eine Tat büßen? War das Opfer zugleich auch
Täter und wenn ja, was ändert das? Wie viele Lügen erträgt die Liebe bzw.
erträgt man selbst?
Die
Geschichte spielt in Be’er Scheva, einer Stadt im Süden Israels am Rande der
Wüste Negev, könnte aber vom Prinzip her - und von einigen Besonderheiten
abgesehen (z.B. der offiziell benutzten Bezeichnung „Infiltranten“ für
Flüchtlinge aus Eritrea, Sudan etc., die mir beim Lesen immer wieder
aufgestoßen ist) - genauso gut in Europa oder anderswo auf der Welt spielen.
Manche
Rezensenten werfen der Autorin eine stellenweise „derbe Sprache“ und die
Nutzung zu vieler Vergleiche vor.
Ich kann dazu nur sagen: Das Leben ist derb,
die Sprache gibt dies lediglich wieder. Ich verstehe auch nicht ganz, wer sich
heutzutage noch an einem „F“-Wort o.ä. stört. Willkommen im wahren Leben!
Und
die bildhaften Vergleiche gefallen mir gerade, z.B. auf Seite 72: „… Er hätte
sich schuldig fühlen müssen, aber seine Schuld welkte, gleich einer Blume, die
nur einen Tag blühte, angesichts dieser dreisten Erpressung …“
Oder
auf Seite 272: „..Die Lüge hatte sich, wie ein anfangs kratzender Wollpullover,
eingetragen. Er fühlte sich wohl darin…“
Auch
viele andere Formulierungen finde ich ausserdordentlich gelungen, auch ohne
dass ich jetzt mit Zitaten um mich werfen möchte.
Obwohl
ich das Buch erst wenige Jahre habe, habe ich es glaube ich jedes Jahr einmal gelesen,
könnte also zum Dauerbrenner à la „Unter dem Tagmond“ für mich avancieren.
Auf
jeden Fall eine wärmste Lese-Empfehlung meinerseits!