Ich versuchte also Pari vorsichtig zum Ende des Kellergangs zu lotsen, weil dort verschiedene Töpfe und Pflanzen stehen, die zumindest ein bisschen Schutz gegen mögliche Angreifer bieten. Das klappte recht gut und wie sich schnell herausstellte, hatten auch Paris Eltern ihre Tochter die ganze Zeit im Auge und führten trotz meiner Anwesenheit die Futterflüge fort.
Im Laufe des Tages schaute ich nun immer wieder mal nach Pari und lenkte sie zurück in die Ecke, wenn sie zu mutig wurde und die Umgebung zu erkunden begann. Etwas amüsiert stellte ich dabei fest, dass Pari auch die Amsel-Mutti (erfolglos) um Futter anbettelte.
Nachdem ich Pari aus einem mit Wasser gefüllten Untertopf rettete, in den sie irgendwie bei ihrer Welterkundung hineingeraten war, wurde ich endgültig nicht mehr als Gefahr wahrgenommen und sogar direkt angeflattert, was mich wiederum wie eine Disney-Prinzessin fühlen ließ.
Als ich kurz vor Feierabend noch ein paar Fütterungsbilder machen wollte, überlegte ich, ob ich den kleinen Fratz für die Nacht nach oben in ein Gebüsch setzen sollte, wo ich auch das Gezwitscher ihrer Brüder und Schwestern hörte. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt keiner Gefahr bewusst, denn ich hockte selber in dem besagten Kellergang, gerade Mal eins, zwei Meter von Pari entfernt, teilweise so nahe dran, dass die Mindestentfernung des Objektives unterlaufen wurde. Während ich noch überlegte, wo eine gute Übernachtungsstelle sein könnte, rauschte plötzlich von rechts ein Schatten heran, griff sich noch im Flug die kleine Pari und flog davon. Ich war völlig perplex, weil ich ich im Leben nicht damit gerechnet habe, dass es zu solch einer Attacke kommt, wenn ich direkt daneben hocke. Ich weiß nicht genau, was das für ein Greifvogel war, weil die Situation so unglaublich schnell ging. Ich vermute es war ein Falke, weil es von den Farben und der Größe hinkommen dürfte, aber es könnte auch ein anderer Raubvogel gewesen sein und würde mich da nicht komplett festlegen wollen.
Nun bin ich eigentlich nicht allzu sentimental was solche Naturereignisse angeht... don't believe in magic, life is automatic. Es gehört halt zum Überlebenskonzept der Meisen, dass es eine gewisse Verlustrate unter den Jungvögel gibt. Genaugenommen erhöht sich sogar durch Paris Opfer die Überlebenschance ihrer Brüder und Schwestern, weil nun mehr Futter für sie da ist. Und auch wenn kleine Meisen sehr niedlich sind, so wollen auch kleine Falken/Eichelhäher/Elstern/etc ernährt werden. Oder anders formuliert: Was für die Meise die Raupe ist, ist für den Falken eben die kleine Meise. Im Grunde finde ich es sogar absolut fantastisch, dass wir mitten in Hamburg eine Greifvogelpopulation haben, aber in diesem konkreten Fall musste ich die (leider erfolgreiche) Attacke dann doch etwas persönlich nehmen, weil ich mich für den kleinen Fratz verantwortlich fühlte. Mir ist schon klar, dass ich keine wirkliche Verantwortung für das Geschehen habe, aber es war wie so eine Art unabgesprochenes Abkommen mit den Meiseneltern: "Wir lassen unseren Nachwuchs hier und Sie können Fotos machen, aber dafür passen Sie ein wenig auf... Deal?!" Rückblickend hätte ich vielleicht auch besser auf die Hörnchen achten sollen, denn die sind ca. 10 Minuten vor dem Angriff blitzartig im Gebüsch verschwunden und tauchten nicht mehr auf. Stattdessen konzentrierte ich mich aber auf die Kamera und so entstand quasi Paris letztes Abendmahl, das nun hier dokumentiert wurde.
Farewell, Pari!