Wir haben einem Freund zu seinem 70. Geburtstag einen gemeinsamen Rundgang im Bereich der Reeeperbahn geschenkt, den wir gestern gegangen sind. Es gibt erschiedene Anbieter mit verschiedenen Themen. Ich habe mir für einen Rundgang aus dem Programm "Kieztour Olivia Johns" entschieden. Und da für den Rundgang mit "Doc" Eva Decker: https://www.kult-kieztouren.de/touren-zeiten/
Eva Decker kommt aus Wien und hat ein freundliches, sprudelndes Temperament. SIe erzählt auf dem Rundgang, der eigentlich 120 MInuten dauern soll und keinesfalls viel Wegstrecke beinhaltet, vieles Historisches aus dem Viertel.
Wir starten in der Schmuckstraße 9. Wir erfahren, dass dies hier mal das Chinesenviertel war - im kleinen Stil - und die Bewohner, 60-70, 1944 eingesammelt und in KOnzentrationslager gebracht wurden. Es finden sich im Rundgangsbereich etliche Stolpersteine von diesen Opfern des Naziregimes.
Im Haus der Schmuckstraße 9 finden sich im Erdgeschoß Erinnerungsstücke an die Chinesenzeit, aber auch an so bekannte Persönlichkeiten wie Dominica, einer Hure, die sich im späteren Lebensalter sehr sozial für die Frauen auf der Straße engagiert hat.
Wir erfahren, dass nach dem Krieg genau in diesem Jahr ein überlebender Chinese wieder ein Restaurant aufgemacht hat, oder besser ein Imbiss, denn viel Raum ist ja nicht. Und auch die Beatles haben hier bei ihrem ersten Aufenthalt gegessen
Wir erfahren, dass in dieser Gegend viele Queere Menschen gelebt werden und bekommen von einer Frau, deren Fotos auch hier hängen, erzählt, die bis vor gar nicht langer Zeit noch um die Ecke gelebt hat.
Selbst Jan, der ja fast alles über Hamburgs Geschichte weiß, wusste nicht, dass es hier ein Chinesenviertel gab
Es ist dunkel, aber selbst jetzt sieht man, dass die Schmuckstraße alles andere als "schmuck" ist...
Wir erlassen das Gebäude und gehen zur Straße "Große Freiheit", in die die Schmuckstraße mündet.
Genau gegenüber er Einmündung liegt eine katholische Kirche, ohne Turm
Es ist die Kirche St. Joseph und wir erfahren, dass die Straße die alte Grenze zwischen Hamburg und ALtona ist und dass hier ein Bereich außerhalb der Stadt lag, in dem in vielerlei Hinsicht schon im 17. Jahrhundert Freiheiten herschten, die in Hamburg nicht möglich waren. Dazu gehörte auch Religionsfreiheit. Neben der katholischen Kirche gab es diverse andere Religionen, die sich hier ansiedeln konnten. In der Großen Freiheit gibt es einige bekannte Hamburger Musiklokale, so die "Große Freiheit 36", in der wir auch schon wunderbare Konzerte, z.B. mit Achim Reichel, erlebt haben.
Wir gehen zurück durch die Schmuckstraße und stehen nun gegenüber dem "Grünspan".
Da kommt bei Jan die Jugendzeit hervor, denn da war er oft. Und so erzählt er auch der Gruppe, die mit 12 Leuten sehr angenehm klein ist, dass man um 22 Uhr als Jugendlicher unter 18 das Lokal verlassen musste und dann über den Kiez gestreunert ist... Jugendschutz war das dann wohl eher nicht. Das Grünspan wurde 1968 geöffnet - ich war noch nie im Grünspan... Wer mehr über das heute noch arbeitende Grünspan lesen will, kann dies hier tun: https://de.wikipedia.org/wiki/Gruenspan…/wiki/Gruenspan
Im Grünspan sind schon viele bekannte Musiker aufgetreten
Das Gebäude weist eine besondere WAndmalerei auf, die unter Denkmalschutz steht und erfreulicherweise jetzt saniert werden soll, damit sie wieder im alten Glanz erstrahlt.
Neben dem Grünspan liegt das ehemalige Israelitische Krankenhaus, das von Salomon Heine gestiftet und 1843 eingeweiht wurde. In ihm wurden nicht nur jüdische Bürger behandelt, sonder es stand allen offen. DIe Nazis beschlagnahmten das Gebäude und das Krankenhaus musste umziehen. Heute ist in dem Gebäude Arbeitsamt/Jobenter. Ich dachte, ich hätte ein Foto gemacht, aber ich finde es nicht. Es ist ein imposantes Gebäude
Erzählt wird uns dies an einer dunklen geschützten Stelle - zuvor standen wir an einer Straßenecke, wo ganz viele Stolpersteine lagen - Foto ist leider nicht so gut geworden, es war zu dunkel
Aber an der Stellen konnten wir nicht weiter stehen, denn direkt dahinter gibt es Häuser, in denen auch heute noch Menschen direkt hinter den Fenstern, sichtbar von außen, ihre Dienste anbieten bzw. Interessenten dort, wo wir stehen, nach Diensten suchen... Daher wählten wir für weitere Geschichten einen anderen Platz.
Wir gehen nun Richtung Reeperbahn und kommen "Zum goldenen Handschuh" vorbei.
Das Lokal wurde 1953 on den Boxer Herbert Nürnberg gegründet, der 1937 und 1939 Leichtgewichtboxmeisterschaften gewann, daher wohl der Name Goldener Handschuh. Heute wird das Lokal von einem Enkel des Gründes betrieben. Es gibt einen Roman von Heinz Strunk, der den Titel "Der goldene Handschuh" trägt - er handelt von dem bekannten Serienmörder Fritz Honka. Der soll nämlich seine Opfer genau dort, im Goldenen Handschuh kennengelernt haben