Mit der 50 Years of Victory zum Nordpol

  • Endlich!
    Nach über einem Jahr der Vorfreude ging es am 23.06.2012 los, erst einmal nach Helsinki.

    Bei Schauern, Wind und ein bißchen Sonne haben wir an zwei Tagen zu Fuß das Zentrum erkundet (Dom, Markt, Hafen, russisch-orthodoxe Kirche, Felsenkirche) und von unserem Hotel aus der Dachbar heraus einen guten Rundblick über die Stadt gehabt. Einsetzender Starkregen am zweiten Tag war nicht wirklich beeinträchtigend, denn ich wollte eh das neue Sea Life Aquarium anschauen.
    Der Besuch lohnt sich!

    Am 26.06. wurde unsere Reisegruppe mit dem Bus zum Flughafen gebracht, der Flug nach Murmansk ist pünktlich gegen 8:00h gestartet.

    Die 120 Passagiere waren aus 20 Nationen, den größten Anteil hatte eine ca. 50-köpfige Gruppe von Chinesen. Zweitgrößte Nation: Die USA, vertreten durch etliche prominente und einflussreiche Personen, wie ich später herausgefunden habe. Wir Deutschen waren zu siebt, sind also kaum aufgefallen ;)

    In Murmank angekommen dauerte die Einreise knapp 2 Stunden, es wurde alles gründlichst überprüft. Fotoverbot, selbst die ca. 30 Meter vom Flugzeug bis zur Eingangstür mussten wir unter Aufsicht mit einem Bus zurücklegen.
    Nach einer Stadtrundfahrt (graue Plattenbauten, grauer Himmel) und der Besichtigung des ausrangierten Atomeisbrechers "Lenin", jetzt Museumsschiff, fuhren wir Richtung Hafen, wo außer unserem Schiff die russische Atomflotte stationiert ist.

    Fotos kommen ab Teil 2 des Berichts!

  • Nach weiteren Kontrollen und Passieren des schwerbewachten Hafenzugangs durften wir endlich aufs Schiff, wo uns seit fast 5 Stunden der Lunch erwartete.
    Seit dem Frühstück um 4Uhr morgens hatten wir nichts gegessen, also nur die Koffer auf die Betten geworfen, Hände gewaschen und auf zum Buffet!
    Typisch russische Küche war es nicht, es gab ungarisches Gulasch mit schwäbischen Spätzle, eine große Salatbar, Braten, Frühlingsrollen und einiges mehr.
    Die Service-Mannschaft bestand aus drei österreichischen StudentInnen und einigen Frauen aus Murmansk.
    Das Dinner war gleich anschließend, denn ab 21 Uhr wurde aus zolltechnischen Gründen alles verschlossen.

    Die Zeremonie zum Ablegen dauerte eine gute Stunde, samt ohrenbetäubendem Tuten des Nebelhorn unter Abspielens von Militärmusik.

    (Danach waren wir müde genug, haben schnell ausgepackt und sind ins Bett.)

    Das Schiff lief gegen 22h aus, musste allerdings nachts nochmals in Murmansk einlaufen. Ich habe nicht genau mitbekommen warum, aber es hatte auch mit dem Zoll zu tun.
    Gegen 3Uhr morgens ging die Reise dann richtig los.

    Am zweiten Tag um 7:30 Uhr kam der Weckruf für das Frühstück um 8 Uhr.

    Zum Essen mehr im nächsten Beitrag...

    Im Bild: Denkmal des unbekannten Soldaten, Murmansk (Aljoscha genannt)
    Einer der zahllosen grauen Plattenbauten in Murmansk

  • Das Frühstücksbuffet war opulent, ebenso alle anderen Mahlzeiten.
    Immer beste Qualität, Riesenauswahl, alles hübsch hergerichtet und freundlich serviert. Dazu Bier und Hauswein kostenlos.
    Kaviar, Hummer, Lammrücken, Steaks, Edelfische, Krustentiere etc., und ein großes Angebot vegetarischer Gerichte.

    Einige der chinesischen Gäste haben jedoch die mitgebrachten Instant-Noodels vorgezogen und sich daneben mit Obst versorgt.

    Am ersten richtigen See-Tag wurden die Expeditions-Parka ausgeteilt, die Gummistiefel anprobiert und die Seenotübung durchgeführt. Wie sich im Ernstfall 60 Personen mehr als 60 Minuten in einem dieser Rettungsboote aufhalten sollen, will ich besser nicht wissen!

    Aber für Disziplin wird sicherlich gesorgt; es sind russische Sicherheitsoffizieren an Bord.

    Lektorenvorträge und ein Begrüßungssekt des Kapitäns haben den Tag abgerundet.
    Müde genug sind wir ins Bett, gespannt auf den nächsten Tag. Denn die 50 Years of Victory läuft mit 20 Knoten und so sollte die Eisgrenze bald erreicht werden!

  • Noch ein paar wichtige Angaben zum Schiff, die ich vor lauter Begeisterung vergessen habe!

    Die 50 Years of Victory wurde nach 20 Jahren Bauzeit 2006 fertiggestellt, sie ist der neueste und leistungsstärkste Atomeisbrecher weltweit.
    Sie dient - ausser in den Sommermonaten Juni und Juli - als Arbeitsschiff in der Nord-Ost-Passage.

    Von der Möglichkeit, mit ihr den Nordpol zu bereisen, habe ich 2010 gelesen, von meinem Gatten nach einigen Monaten Diskussion die Buchungserlaubnis eingeholt und täglich das erste mögliche Buchungsdatum überprüft. Die beste Kabine der preiswertesten Kategorie habe ich leider nicht bekommen, aber die zweitbeste! Juchu - Danke, Herr Grahl von Leguan-Reisen!!!

    Bald hatten wir die Grenze zum Packeis erreicht, Robben und mehrfach Eisbären, laufend, liegend, stehend und springend auf dem Eis und auch schwimmend im Wasser beobachten können.

  • Wir sind bei ca. 80° Nord und passieren Franz-Josel-Land, wo wir auf der Rückfahrt Exkursionen unternehmen werden.

    FJL wurde bei der großen Polarexpedition des K-und-K-Österreichs entdeckt, die Forscher haben das leider nicht überlebt und so ist eine andere Nation als erste zum Pol vorgestoßen, der nochmals ca. 900 km weiter nördlich liegt.

    Unsere Helikopterinstruktionen haben wir erhalten und nach dem Dinner musste Neptun um Erlaubnis gefragt werden, dass das Schiff weiterfahren darf. Mithilfe von Wodka wurde die Bitte erfolgreich beschieden.

  • Dank der 75.000 PS schafft sich unser Schiff durch die Eismassen, was nicht ohne Getöse von statten geht. Aber man gewöhnt sich so schnell an das Krachen, dass es fehlt sobald das Schiff stoppt, um weitere Tierbeobachtungen zu ermöglichen.

    Beim Dinner gibt der Kapitän bekannt, dass der Pol in wenigen Stunden erreicht werden wird und eine große Party auf dem Bug vorbereitet wird.

    Bilder; Eislandschaft, Eisbrecher in Fahrt, Packeis

  • Mehrere GPS-Geräte und das Tuten des Nebelhorns zeigen optisch und akustisch den Pol an!
    Das Schiff stoppt einfach die Turbinen und bleibt stehen.
    Alle sind auf dem Bugdeck und prosten sich zu, egal aus welcher Nation.
    Entsprechend formulieren der Kapitän und der Expeditionsleiter ihre Reden: Ein friedliches Miteinander und Füreinander wie gerade in diesem Augenblick soll es nachhaltig auf der Welt geben.
    Die Chinesen entrollen Flaggen und starten Foto-Sessions.
    Bei bester Stimmung vergehen etliche Stunden - und am nächsten Morgen dürfen wir alle aufs Eis.

    Für uns hieß das eigentlich gleich anschließend, denn erstmals überhaupt ist ein Heißluftballon mit an Bord, samt zwei australischen Flugkapitänen, einer davon gebürtiger Russe, sonst wäre das nicht genehmigt worden.
    Nur 50 Gäste haben dieses Privileg und die Warteliste dafür ist genauso lang.
    Gegen 1:30 ins Bett gegangen, mit ein paar Gläschen Sekt im Kopf, kommt kurz darauf die Durchsage, dass der Ballon bereit sei.
    Also schnell (so schnell wie möglich in schlaftrunkenem Zustand) in alle Zwiebelschichten hinein, raus aufs Eis, um das Schiff gelaufen, den Ballon halb geöffnet gesehen und die Meldung bekommen: Der Wind ist zu stark, geht wieder schlafen!

    Aber wenigstens ein Privileg: Wir waren neben der Balloncrew und einem Besatzungsmitglied die ersten Menschen 2012, die den Nordpol betreten haben, gääähhhnnnn

  • Das Aufstehen fällt schwer, aber es ist mächtig was los an Bord, allgemeine Vorbereitung zum Verlassen des Schiffes.

    Das Personal hat schon Stunden gearbeitet, Biergarnituren sind aufgestellt, ein Badeplatz geschaffen, die bewaffneten Wächter stehen auf ihren Posten und rote Fahnen markieren das Gebiet, in dem wir uns frei bewegen dürfen.

    Aber zuerst werden alle zusammen mit dem Nordpolschild fotografiert, dann umrunden - nach einer weiteren prägnanten Rede des Expeditionsleiters - alle gemeinsam mit den Händen auf den Schultern des Vordermannes in einer Minute die Erde.

    Strahlende Gesichter und strahlender Sonnenschein!

    Die ersten Mutigen bewegen sich zum Natur-Pool, Wassertemperatur minus 1,5 Grad. Gut, dass alle an einem Seil festgebunden werden, die Eifrigen, die schnell kraulend bis zum Schiff geschwommen sind, mussten fast zurückgezogen werden.
    Ein Wodka hat die Lebensgeister wieder erweckt.

    Zu zweit umlaufen wir das Schiff am Rande der Fahnen, gigantisch, wie dieser Riese, umgeben von Eis-Eis-Eis-Eis, vor uns steht. :rolleyes

    Und die Ballonfahrt hat Spaß gemacht, nochmal eine andere Perspektive um zu sehen, was sich die Leute so haben einfallen lassen für diesen Tag.
    (Sobald ich in der Lage bin, stelle ich die GoPro Videos ein.)

    Mit Laptops sich vor dem Schild fotografieren lassen, das Schmusetier am Pol, ein Maler, der seine Staffelei mitgebracht und das Schiff hier gezeichnet hat, Chinesen, die sich wälzen.....
    Ach ja, nicht zu vergessen ein Schotte, der seine Golfschläger mitgenommen hat, um sich beim Abschlag fotografieren zu lassen und ein Mann, der in Boxershorts seine Yoga-Übungen machte.
    Mein Mann hat sich winkend auf den Anker gestellt und ich habe mit einem oberschenkeldicken Tau das Schiff gezogen, den Schlitten, mit dem das Personal das Essen gebracht hat, haben wir für eine kurze Fahrt entführt.
    Also wie die kleinen Kinder, schöööön, dass das noch geht ;)

    Und dann gabs das BBQ, heißer Whisky vorab, Bratwürste, Rippchen, Maiskolben, gegrillter Lachs, Hähnchen etc. etc.
    Inzwischen sind wir auch mit der Crew verbrüdert und die Stimmung ist einfach klasse! :cheerleader

    Schade - um 16 Uhr hieß es: Alle an Bord, nun geht es zurück.
    :wweinen

  • Beim Dinner hören wir das vertraute Krachen des Eises, es rumpelt stärker als bei der Hinfahrt, das Geschirr fängt an zu wackeln, der Kaffee zum Käse schwappt über.

    Wir fahren einen etwas anderen Kurs, weil wir ja Anlandungen planen.
    Der nächste Tag vergeht für uns mit fröhlichen und auch wehmütigen Rückblicken, denn wir stehen wie fast immer ungestört am Heck des Schiffes.

    Tags drauf erreichen wir Franz-Josef-Land und die ersten Walrosse werden gesichtet, große Begeisterung bei uns, den Walrossen sind wir völlig egal.
    Auch Eisbären gibt es wieder.

  • Letzter Teil-Bericht!

    Franz-Josef-Land
    200 Inseln mit Basaltfelsen und großen Eiskanten.
    Mit den Zodiaks landen wir an, was vor ein paar Jahren noch nicht möglich gewesen wäre: Ehemaliges Sperrgebiet Russlands.

    Auf Hook-Island lebten zwischen 1930 und 1960 russische Polarforscher (in einfachen Holzhäusern) mit ihren Hunden (in noch einfacheren kleinen Holzhüttchen). Zwischendurch sehen wir Bärenspuren und eine Bruthöhle??? Heisst das so bei Bären? Zum Glück lesen das keine Lektoren.....
    Die Kleinen werden ja erstmal längere Zeit in dieser Höhle versorgt, bevor sie nach draussen dürfen.
    Dort gibt es erstmals wieder Farben: rote und grüne Moose und Flechten.

    Den Fels der 1000 Vögel (starke Untertreibung) umwabert ein bisschen Nebel, alles sieht fast schwarz-weiß aus und passt zu unserer Abschiedsstimmung.

    Eine Walross-Sightseeing-Tour findet auch statt und ich war froh, dass uns die Tiere so gut wie ignoriert haben, in unserem Schlauchboot hätten wir wenig Chancen gegen sie.

    Grandioser Abschluss: Eine Walherde, die wir über eine Stunde verfolgt haben!!! Gewaltige Fontänen, Auf- und Abtauchen direkt am Schiff sind einfach perfekt!

    In Murmansk angekommen, beginnt die Heimreise: Bus zum Flughafen, Flug nach Helsinki und letzter Abend. Beim Frühstück heißt es mit vielen Umarmungen Abschied nehmen, Adressen austauschen und Rückflug nach Frankfurt.
    Das ist in Ordnung, denn mehr an Eindrücken aufnehmen wäre mir zumindest nicht gelungen.

    Ein Hinweis sei gestattet (einen Link setzen kann ich nicht): (Admin: Link wurde gesetzt ;-))
    Leguan-Reisen bietet weitere Reisen mit Quark-Expeditions an.
    Ich liebäugele schon mit der 3-Island-Tour: Spitzbergen - Grönland - Island.

  • 1000 Dank für den klasse Bericht und die wunderschönen Fotos! Es war ganz sicher eine tolle Reise, die Ihr gemacht habt. Ich kann mir vorstellen, dass man noch lange davon zehrt.

    Am liebsten würde ich da auch mal hin... :,.)

    Viele Grüße
    Petra

    Der Vollständigkeit halber, die Kommentare zu dieser Reise findet man hier. ;)

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