Filmtipp: "Zeit der Kannibalen"

  • Ich habe ja oft ein Problem mit deutschen Filmproduktionen – aber gestern wurde auf arte ein wirklich sehr guter Film gezeigt, der jetzt noch online in der arte Mediathek zu sehen ist, und der mich sehr beeindruckt hat:

    „Zeit der Kannibalen“

    Der Film ist wie ein Kammerspiel gedreht, denn bis auf wenige Nebenfiguren gibt es lediglich drei Hauptdarsteller - die beiden vornamenlosen Unternehmensberater Öllers und Niederländer sowie die ihnen neu zur Seite gestellte Kollegin Bianca - und obwohl die Handlung in verschiedenen Ländern spielt, findet diese ausschliesslich in gesichtslosen Luxushotels statt, aus denen die Fensteraussicht stets dieselbe ist (wie eine Theaterkulisse, bestehend aus undefinierten Quadern). Die Länderwechsel werden quasi einzig durch anders aussehende Geschäftspartner und Hotelangestellte visualisiert.

    Jedenfalls jetten die abgehobenen Top Consultants um den Globus, um in armen Ländern millionenschwere Geschäfte abzuwickeln. Die Welt ausserhalb der Hotels interessiert sie dabei nicht, fühlen sie sich doch so wohl und sicher in ihrer künstlichen Geschäftswelt-Blase – v.a. dann, wenn draussen mal wieder eine Explosion zu hören ist oder der Lärm von Maschinengewehren. Lediglich die Anwesenheit einer Stechmücke im Hotelzimmer kann dem Top Consultant mal kurz die Selbstsicherheit nehmen (eine geniale Szene, natürlich gewollt überzeichnet!).

    Dass ein Rivale zum Partner befördert wurde, trifft die beiden tief und schürt Argwohn gegenüber der neuen Kollegin. Diese besitzt als einzige des Trios noch so etwas wie ein soziales Gewissen, interessiert sich für die Länder, in denen sie sich gerade befinden, und würde auch gerne mal die Welt jenseits der Hotelmauern zu sehen bekommen.

    Doch dazu kommt es nicht: Während eines Hotelaufenthalts im fernen Lagos (Nigeria) müssen sie zwei Hiobsbotschaften von ihrer „Company“ verkraften, derweil auf den Strassen mal wieder die Gewalt ausbricht …

    Ich möchte nun aber nicht zu viel verraten und das Ende nicht vorwegnehmen, -welches ich sehr stark finde! – sondern zum Anschauen dieses Films animieren! ;)

    Besonders gefällt mir hier die Umsetzung des Themas Kapitalismus-/Globalisierungskritik: Einerseits die Reduktion auf immer gleiche Hotelzimmer, düstere Korridore, nichtssagende Fensteraussichten, dazu ein sehr spärlicher Einsatz minimalistischer Musik - andererseits die stark überzeichneten Charaktere, die sich über trivialste Kleinigkeiten aufregen können, denen aber Leid & Elend in der Welt völlig egal sind.

    Ebenso gefällt mir, wie die Frage nach den wirklich existentiellen Dingen im Leben in die Handlung eingearbeitet ist. Sind es Geld, Luxusleben, Konsum oder ist es vielmehr einfach nur die Unversehrtheit des Leibes?

    Hier noch ein Link zu einer Filmkritik -

    http://www.zeit.de/kultur/film/20…kannibalen-film

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