Filmtipp: Eine Armlänge Welt

  • Sven ist taubblind, er will aber die 800 Kilometer des Jacobsweg ab Saint-Jean-Pieds-de-Port bis nach Santiago de Compostela gehen. Akribisch hat er sich vorbereitet und ein wechselndes Team von Taubblinden-Assistentinnen (TBA) wird ihn auf diesen Weg begleiten und zur Seite stehen. Ebenso ist dann auch noch ein Filmteam am Anfang und am Ende der Wanderung dabei. Die Filmemacherin Susanne entschied sich jedoch dafür, die ganze Reise zu begleiten und zu dokumentiern, denn schnell zeigten sich die ersten die Konflikte zwischen Sven und den TBAs.

    Sven ist jedoch in seiner Welt gefangen, er leidet unter der Einsamkeit und wünscht sich nicht nur Assistenz, sondern möchte mehr. Einerseits betont er immer wieder, dass er der Arbeitgeber ist, wirft den Assistentinnen aber vor, wenn sie sich am Abend treffen und ihn praktisch außen vorlassen. Zumindest fühlt er das so. Er möchte tagsüber bestimmen und am Abend sollen sie Freunde sein.

    Es ist keine leichte Kost und manchmal war ich drauf und dran abzuschalten. Auch die TBAs, es waren immer drei, die ihn begleiteten, hatten ihre Probleme mit den oft ungerechten Vorwürfen von Sven klar zu kommen. Sie konnten ihn nicht immer erreichen. So blieb es nicht aus, dass die Anspannung im Team wuchs und manche TBA doch frühzeitig nach Hause flog.

    Angekommen in Santiago stellt Sven fest, dass ihm der Weg einfach nichts gebracht hat. Er bleibt weiterhin in seiner Welt gefangen.

    Der Film ist in der Mediathek von 3SAT zu sehen:

    Eine Armlänge Welt

    Viele Grüße
    Petra

  • Ich hab mir jetzt auch den Film "angetan".

    Schwierig, man bekam ja nur kleine Ausschnitte zu sehen und kann nur erahnen, was da so tagtäglich in der kleinen Gruppe für Spannungen waren.

    Sicherlich hatten beide Seiten völlig unterschiedliche Erwartungen und Vorstellungen an diese Reise.

    Alle mußten große Abstriche machen, weil es einfach nicht funktionierte.

    Eine Assistentin wird nicht abends zur Freundin, sie hat auf dieser Reise keinen Feierabend sondern es ist ein 24h Einsatz.

    Ich stanune über die Geduld, die Sven entgegen gebracht wurde. Für mich wäre das nichts. Ich brauche Abstand und Distanz bei solchen "Arbeiten".

    Andererseits ist Sven auch eine arme Socke, was soll er denn machen? Er ist auf Hilfe angewiesen, ohne hätte er nie diesen Traum verwirklichen können. Ständige Abhängigkeit von anderen macht aber auch recht schnell mürbe, man fühlt sich ausgeliefert, ist quasi Klotz am Bein. Da ist verbaler Frustabbau irgendwie auch verständlich, auch wenn man es als Zuschauer oft nicht ertragen kann.

  • Anja, es gibt ja verschiedene Formen. Sven war nicht von Geburt an taub und blind, sondern es war ein schleichender Vorgang. Durch seine Hörgeräte kann er wieder hören, aber auch nicht alles. Wenn Du den Film mal anstellst, dann sieht man als erstes das, was er sieht und hört das, was er hört. Ich dachte erst, der Film ist nicht in Ordnung.

    Da er nicht von Geburt an vollkommen taub ist, kann er reden. Ich kenne einige, die unter schleichendem Verlust des Augenlichts leiden. Irgendwann ist es ganz duster.

  • Der Film wirft halt auch die Frage auf, was letztendlich von einer Dienstleistung, wie sie die TBA's abliefern, erwartet werden darf. Er bezahlt sie natürlich, aber wo zieht man dann die Grenze.

    Er war ja doch etwas angefressen, weil abends das Beisammensein nicht so ablief, wie er es sich gewünscht hat.

    Ich kann mich gut an die Szene erinnern, als er kurz vor dem Ziel einen Tag Pause machen wollte, die eine Helferin aber genervt war, weil sie dadurch noch einen Tag länger von ihrer Familie getrennt ist.

    Da gab es ja richtig Streit, wo sie dann erst einmal wieder heulend aufgestanden ist.

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