Sommer 2000 in Marmora- Ontario....
Zum ersten Mal reise ich in das Land meiner Träume- es war immer mein Lebensziel, ein einziges Mal nur - irgendwann, in ferner Zukunft mit Indianern zwei Wochen in ihrem Land verbringen zu dürfen und heilige Plätze zu besuchen, an Ritualen und Zeremonien teilnehmen zu dürfen. Das war schon ein Kindheitstraum von mir.
Schneller als geplant wurde der Lebenstraum erfüllt, und meine langjährige Brieffreundin Nijanani und ihr Mann Augiak luden mich ein, zu ihnen zu kommen.
Nijanani ist Ojibwe-Cree-Indianerin, ihre Mutter stammte aus Frankreich, ihr Vater aus der Hudson Bay in Alaska. Sie spricht 9 Sprachen perfekt und hat eine eigene Firma in der Specksteinfiguren hergetellt werden. Der Hauptverdienst der Firma liegt aber nicht in den Speckfiguren, die hauptsächlich an Duty Free Shops am Flughafen verkauft werden oder für Native- Museums hergestellt werden, sondern im STAUB der dabei abfällt, der wird nämlich an die Pharmaindustrie als Trägermaterial für Tabletten verkauft)
Ihr Mann Augiak ist Inuit-Schamane, geboren in der Hudson Bay in Alaska. Beide leben nun in Canada- Ontario in einem kleinen Zedernhaus im tiefsten Wald in Marmora.
Da ich Angst hatte vor dem langen Flug, begleitete mich eine liebe Freundin, sie reiste mit mir.
Gleich am zweiten Tag nach meiner Ankunft hat mich Augiak mitgenommen zu „den Petroglyphs".
Ich hatte damals keine Ahnung, was das ist, und wusste nicht, was auf mich zukommt.
Die Petroglyphes die ich hier meine, sind in der Nähe des Algonquin-Parks in Ontario zu finden, abgesperrt, nur für Indianer zu betreten, Touristen kommen nur mit Genehmigung, mit viel Geld und auch nur in bestimmte Bereiche des Gebietes rein.
Der Rest ist den Indianern (ich werfe hier alle Rassen und Stämme in einen Topf- ich meine damit die Natives, die in Ontario leben- egal welchen Stammes) heilig und wird abgeschottet von der Außenwelt. .
Das Gebiet gehört ihnen, und die Natives versuchen jetzt mit Gewalt alle Weißen da fernzuhalten.
Auf den Petroglyphes werden Zeremonien gemacht, die Natives gehen da hin zum opfern und beten, usw...
Nijananai, die Frau von Augiak, findet es nicht in Ordnung, dass da jetzt keine Weißen mehr hindürfen, sie sagt, dass die Natur JEDEM gehört. Und es wäre auch nicht gerecht von den Indianern, das Gebiet jetzt für sich alleine zu beanspruchen, womit sie wohl recht hat...
An der Kontrolle ( ein Holzhäuschen mit Kontrollpersonal am Eingang des Gebietes) hat mich Augiak durchgeschummelt. Ich durfte den Mund nicht aufmachen, damit sie nicht wissen, dass ich keine Indianerin bin.
Nachdem eine streng aussehende Frau eine Weile ins Auto hereingeschaut hat und mit Augiak einige Worte wechselte, sind wir durchgekommen und haben einen Ausweis mit den Worten "Aboriginal" bekommen, sie haben es uns also abgenommen, wir mussten nichts bezahlen und durften in einem gewissen Bereich weiter fahren.
Dann kamen wir zu einem riesigen Gebäude, in denen der größte Felsen der Petroglyphs sich befand. Eine riesig große Felsplatte, etwa 30 Meter lang und 15 Meter breit, mit hunderten von Symbolen, die tief eingeritzt waren in den Stein, mit Moos überwachsen, aber sauber gepflegt.
Niemand darf diesen Felsen berühren oder gar betreten.
Der Felsen ist mit diesem Gebäude überdacht, es befindet sich eine Klimaanlage darin, während draußen die Sonne brütend heiß scheint, herrscht in diesem Gebäude fast schon unangenehme Kühle. Angeblich zum Schutze des Felsens, der viel Geld bringt und die Touristen beruhigt.
Ein betonierter Treppelweg führt rund um den Felsen, und an großen Schildern steht beschrieben, was die vielen Symbole eventuell bedeuten könnten.
Überall Aufsichts- Personal und Videoüberwachung.
Der Clou für Touristen: Sie dürfen sich jeweils zwei Blätter und einige Stifte aussuchen, und auf Holztafeln in die die Symbole des Felsen rein geschnitzt wurden das Blatt übermalen, damit sie einen Eindruck davon mitnehmen können- denn fotografieren ist nicht erlaubt.
Ich betrachte den Felsen, sehe mir die Leute an die sich in der großen Halle befinden, die kühle Luft, die von überall her zu blasen scheint, und mir wird plötzlich speiübel.
Ich halte es kaum noch aus in diesem Gebäude und sage Augiak Bescheid, dass ich den Raum verlassen möchte und mich nicht wohl fühle.
Augiak spricht kurz mit einer der Kontrolldamen, es beginnt ein längeres Hin und Her, ich weiß nicht, worum es geht, ich darf nichts sagen, weil ich ja Native sein soll.
Dann winkte er mir, und deutete vorsichtig, dass ich wieder den Mund halten soll.
Die Kontrolldame brachte uns zu einer Absperrung, öffnete das Tor und wir gingen praktisch neben der Halle in den Busch. Sie sagte noch "Watch for Poison Ivy"... (Das ist eine giftige Pflanze, bei deren Berührung man angeblich ins Krankenhaus muss und Antibiotika nehmen muss weil sie höllisch brennt. Streift auch nur die Katze daran, und man streichelt dann die Katze- blüht das Selbe. Die Eingeborenen sind allerdings angeblich immun dagegen... )
Nachdem wir einige Schritte gegangen waren, sahen wir am Boden Felsblöcke liegen, auf denen man, wenn man genau hinschaut auch Petroglyphs sehen konnte.
Wir suchten zuerst nach bestimmten Symbolen und fanden dann einen Platz, an dem aus vier Richtungen Linien zusammentrafen. Jeder von uns setzte sich auf eine der Linien, und Nija sagte, dass wir jetzt beginnen könnten.
Wir legten alle Tabakblätter oder mitgebrachten Tabak in die Mitte, und nahmen uns dann an den Händen. Augiak begann in seiner Inuit- Sprache zu beten, und mir liefen die Tränen über die Wangen, genauso wie meiner Freundin.
Der Ort war so stark, dass ich nie zuvor etwas Ähnliches gefühlt habe. Bilder stürzten auf mich ein, und ich vergaß diese ekelhafte Halle hinter mir total. Meine Tränen waren gleichzeitig Trauer, weil die Weißen alles zerstören und aber auch Freude, dass Augiak mir diesen Platz zugänglich machte. Er sagte später, dass wir die ersten Weißen wären, die diesen Platz betreten dürften.
Nachdem die Gebete zu Ende waren, saßen wir einfach da, hörten den Wind in den Blättern rauschen, die Baumfrösche surrten monoton und Vögel zwitscherten. Libellen besuchten uns, die Sonne schien und wir wurden uns bewusst, dass wir genau vier Leute sind, dass die Erde unter uns, der Himmel über uns ist, dass alle Tiere da sind, der Wind uns begrüßte, aber auch die Sonne. Kurz regnete es, und donnerte weit entfernt, alles war da...
Es war so überwältigend!
Dann stand Augiak auf und brachte mir einen kleinen Quarz- Stein, den er von dem Felsen vor uns holte.
Wir machten zusammen schamanische Geistreisen, Augiak sagte über seine Reise aber nur, dass er den "Creator" getroffen habe...
Ich ging zu meinem Krafttier in die untere Welt und damals begleitete mich ein Bär. Er meinte, dass ich Kraft aus dem Felsen unter mir schöpfen sollte, dass ich daraus das Wissen der Vorfahren holen könne.
Ich zeigte dem Bären den kleinen Stein, den mir Augiak schenkte, und Bär sagte, dass der kleine Stein kräftiger sei als alles andere, was ich jemals besessen habe. Dass er stärker wäre als die Bärenkralle, die ich eingesteckt habe.
Und dass mich dieser Stein immer mit den Petroglyphs verbinden würde.
Ich habe daraufhin meine Bärenkralle in eine der Felsspalten gegeben, habe sie dem Ort geschenkt als Dank dafür, dass wir dort sein durften.
Kurze Zeit später hörten wir, dass die Kontroll- Frau uns rief. Wir mussten zurück.
Am Weg raus aus dem Park lag eine kleine Strumpfbandnatter auf der Straße....
Sie war wunderschön.
Wir haben dann noch ganz viele Orte besucht, haben die Niagara- Fälle gesehen, die Großstadt- Hölle von Toronto erlebt, 7-spurige Autobahnen (mit der Gegenseite also 14 Spuren!) , haben Nachts mit den Wölfen geheult und auch Antwort von ihnen bekommen. Haben uns im Algonquin- Park Nachts verirrt, und unter der Milchstraße mitten im Wald auf einem Felsen gesessen und die Sterne beobachtet. Wir wussten, dass da Elche und Bären und Wölfe sind, es war einfach faszinierend...
Waschbären- Babys hab ich gesehen, ein totes Stinktier durfte ich riechen ( nicht zum aushalten), Wolfs- Spuren wurden uns gezeigt, und Rehe konnten wir fast füttern.
Die giftige Pflanze "Poison Ivy" wurde uns erklärt, und ich bekam von Nija Bärenfett- Salbe geschenkt, die ich wie mein Heiligtum hütete.
Wir durften zusehen wie Inukshuks aus Speckstein gemacht werden, erfuhren was "Dreamkeeper" sind und wie sie hergestellt werden, wir schauten uns Bilder von Nijas und Augiaks Großeltern, Geschwistern und Tanten an, sahen Filme, wo Verwandte schamanische Tänze zeigten, erfuhren über die Bedeutung von den weißen Hasenpfoten auf dem Hochzeits- Hemd ihres Großvaters (die machen nämlich unsichtbar, und Männer brauchen das manchmal ! )
Wir besuchten Freunde in Reservaten, konnten mit einem Mohawk in seiner Garage singen und Musik machen, er wollte sogar eine CD mit mir machen und ich wurde eingeladen, in seinem Store meine Sachen zu verkaufen, bekam das Angebot in seinem Ferienhaus wohnen zu dürfen, usw…
An meinem Geburtstag wurde ich ordentlich überrascht, denn ich dachte die wissen nicht, wann ich Geburtstag habe. Meine Freundin hat aber offensichtlich gepetzt, und so verstrich der Vortag mit einem Restaurant- Besuch. Ich bestellte mir zum ersten Mal dort einen kleinen Baileys mit Eis, was für Nija total arg war, denn sie meinte der wäre ja total stark und überhaupt, so VIEL Alkohol, und sie könne das nicht trinken. Ich musste grinsen, weil das für mich eh schon das Süßeste ist, was ich jemals getrunken habe, ich trinke ja sonst auch keinen Alkohol, nur hatte ich da eben Lust auf einen kleinen Baileys.
Als wir am Abend nach Hause kamen wusste ich, dass irgendetwas ausgeheckt wurde, denn alle taten so geheimnisvoll, und ich wusste nicht recht was los war.
Um Punkt Mitternacht stürmten alle zu mir ins Wohnzimmer und sangen "Happy Birthday", es wurden Geschenke überreicht die in einfachen Schachteln und Zeitungspapier eingewickelt waren! Ich war total verlegen und wusste gar nicht was ich sagen sollte. Ich grinste nur noch. Und die Krönung: Nija holte plötzlich aus dem Kühlschrank eine Flasche Baileys und meinte:"Wir müssen doch anstoßen!"
Ich fand das so süß! Weil ich ja genau wusste, dass sie Alkohol als "Das Gift des weißen Mannes" bezeichnet.
Ich bekam von Augiak eine aus Speckstein geschnitzte Walross- Figur geschenkt, die er selbst gemacht hatte. Von Nija bekam ich einen Inukshuk aus grün- schwarzem Speckstein, den sie auch selbst gemacht hatte. Außerdem schenkten sie mir einen Rucksack- Guide für Canada und noch viele Kleinigkeiten über die ich mich riesig freute.
Nija erzählte uns Geschichten über ihre Zeit, als sie noch Kinder waren und in der Arktis lebten, mit ihren Großeltern. Ihr Großvater war der letzte große Shaman, der die "Shaking Tent Ceremony" durchführte. manchmal findet man seinen Namen noch in Büchern darüber. Er hieß "Joopie Nituak".
Nija zeigte uns zum Abschluss noch die Sacred Sachen von ihren Großeltern: Das Medizinbündel ihres Großvaters, seine Haare, sein Zylinder, seine Bärenknochen- Rassel, Adlerfedern- Schmuck, seine persönlichen Sachen. Wir saßen in ihrem Schlafzimmer am Boden, wuschen uns in rauchendem Sweetgrass und sie öffnete die Kiste, die sie niemals herzeigen würde, wie sie bei einem Besuch bei mir sagte.
Wir erfuhren viel über das Leben in der Arktis. So banale Dinge wie dass man die Stiefel hinten in der Kniekehle zubinden muss, weil sie vorne gefrieren, oder wie man Robben fängt, wie man eine Inuit- Frau an den Stiefeln von einem Mann unterscheiden kann, oder welcher Familie sie angehört, nur wenn man die Stiefel genauer anschaut.
Sie erzählte uns über die Zeit, als Augiak von der Regierung Zwangs- sterilisiert wurde, so wie viele andere Eskimos und Indianer. Die Kinder wurden damals zu "Impfungen" geholt. Jeder geimpfte Junge konnte später keine Kinder zeugen.
Ich hätte heulen können, als sie uns ganz trocken sagte :"Wir hätten immer gerne Kinder gewollt, jetzt haben wir eben Moritz, unseren Kater"...
Sie erzählte uns davon, wie es früher war, als die Touristen zu ihnen ins Reservat kamen. Die sagten zur Begrüßung schon "Hau" oder "Hugh".
Natürlich wurden sie nur ausgenommen und verarscht von den Indianern.
Ihr Bruder sah im Gegensatz zu Nija sehr indianisch aus. Er lehnte immer ganz unantastbar am Geschäft ihrer Eltern und schaute starr in die Luft. Die Touristen kamen dann zu ihr und fragten sie:"Meinen sie, wir könnten ein Foto von dem Indianer dort machen?"
Und Nija antwortete todernst:"Na ja, ich könnte ihn ja mal fragen?"
Dann ging sie zu ihrem Bruder, und "verhandelte" scheinbar eine viertel Stunde mit ihm, dann kam sie zurück und sagte:"Für 25 Dollars könnten sie vielleicht seine Seele beruhigen?"
Wir haben uns totgelacht darüber.
Ein anderes Mal erzählte sie über die Inspektoren, die immer ins Reservat kamen, um zu sehen, ob die Indianer genug zu essen haben oder nicht. Der kam immer zur selben Zeit einmal im Monat. Ihre Großeltern bereiteten sich gut darauf vor, indem sie die ältesten Sachen anziehen musste, jeder schmierte sich Dreck ins Gesicht, und Nijas Opa sagte immer: "Stell Dich blöd, die Weißen wollen das so!"
Dann haben sie eine Hundefutter- Dose präpariert, haben unten den Deckel aufgemacht, haben normales essbares Fleisch rein gegeben und die Dose auf einen Tisch gestellt.
Wenn dann der Inspektor kam, dann saß das halbe Dorf in einer uralten Hütte um den Tisch, jeder dreckig und blöd und mit alten Klamotten, und alle aßen aus dieser Hundefutter- Dose.
Der Inspektor war dann immer ganz erschrocken, dass es den Indianern hier so schlecht geht, und er sagte damals :"Ihr braucht doch finanzielle Unterstützung!"
Und Nijas Oma sagte daraufhin mit schauspielerischem Talent:" Nein, sowas dürfen wir doch nicht annehmen, und das geht doch nicht!"
Natürlich bekamen sie dann umso mehr Geld.
Oft halfen sie den Weißen, ihre Schiffe auszuladen, und ließen dabei immer FAST unabsichtlich etwas ins Wasser fallen, denn das was mal im Wasser lag wollten die Weißen nicht mehr.
So bekamen sie billig Nahrungsmittel.
Augiak war früher Moderator und Regisseur bei CNN, hatte einen eigenen Inuit- Sender, und hatte eines Tages ein Interview mit dem kanadischen Präsidenten. Dieser kam in seine Sendung ( live), und Augiak begrüßte ihn. Der Präsident wollte daraufhin wissen, wie das Inuit- Wort für die Begrüßung sei, und Augiak brachte ihm bei :" Itialova"!
Der Präsident lernte das fleißig und begrüßte alle Inuits ab da so.
Was er nicht wusste : "Itialova" bedeutet :"Mein größtes Arschloch".
Natürlich wurde das live ausgestrahlt, jeder Inuit lachte sich vor dem Bildschirm tot, und Augiak wird heute noch deshalb angesprochen und es wird gelacht darüber.
Nija sagte, dass es oft vorkam, dass Inuits mit Weißen in Inuit- Sprache redeten, dabei setzten sie einen Tonfall auf, als würden sie zu einem Hund sagen:"Mei, bist Du ein Süßer, so ein liebes Hundchen!"
Und in Wirklichkeit sagten sie genau in dem Tonfall zu den Weißen:"Mei, bist Du ein Arschloch, so ein beschissener, arroganter Blödmann!"
Die Weißen freuten sich auch noch darüber und sagten: "Die sind ja so nett die Eskimos!"
Also es wurde veräppelt, was das Zeug hielt.
Auch Weihnachten wird heute bei Nija zu Hause gefeiert. Das kam so: Nija wurde als Kind in eine Schule gesteckt, durfte dort ihre Sprache nicht mehr sprechen, durfte auf keinem Instrument ihre alten Lieder spielen, die Kinder wurden so weit wie möglich von ihren Familien entfernt. Nur zu Weihnachten kamen sie nach Hause.
Die weißen Kinder auf der Schule redeten von Geschenken die in Papier verpackt seien und von beleuchteten Bäumen, und von der Geburt Jesus...
Als Nija nach Hause kam fragte sie ihren Opa, ob sie auch Weihnachten feiern könnten, denn sie würde so gerne ein Geschenk in Papier eingewickelt bekommen, und beleuchtete Bäume sehen wollen.
Ihr Großvater schüttelte den Kopf als er das hörte und meinte nur:"So einen Blödsinn machen wir nicht, lass den Weißen das machen, die sind verrückt!
"Beleuchtete Bäume !" Und das Thema war erledigt.
Doch als Nija in den Weihnachts- Ferien nach Hause kam, da sah sie in der Ecke einen abgeschnittenen Baum lehnen, an dem ihr Opa eine Kerze drauf gebunden hatte, und ihre Oma überreichte ihr ein in Leder eingewickeltes Geschenk.
Sie freute sich so sehr darüber!
Als sie es auspackte, war es ein Buch über Heilpflanzen in Canada, und ihr Bruder bekam ein Buch über die Tiere in Canada.
Und ihre Oma sagte damals zu ihr:"Aber das kriegst Du nur, wenn Du mir versprichst, dass Du es mir auch vorliest!" (Denn ihre Großeltern hatten nie lesen oder schreiben gelernt.).
Nija hat es versprochen und kennt sich heute noch irrsinnig gut mit Heilpflanzen, Salben und Tinkturen aus. Sie weiß bis heute nicht, woher ihre Oma die Bücher hatte- es gab dort wo sie lebte weit und breit keine Geschäfte oder Buchläden! Und sie weiß auch nicht wie sie zu genau diesen Büchern kam, sie konnte ja nicht mal die Titel lesen!
Jedenfalls ist ihr das so gut in Erinnerung geblieben, dass sie heute noch Weihnachten feiert mit Augiak. Nicht wegen der Geburt von Jesus, sondern weil sie dann an ihre Großeltern denkt...
Eine weitere lustige Geschichte: Nijanani erzählte mir, dass sich Tiere wie Rehe oder Elche ganz leicht fotografieren lassen, wenn man ganz normal auf sie zugeht, ihnen offensichtlich zeigt, dass man sie fotografieren will.
Sie meinte: Wenn die Touristen sich heimlich aus einem Auto drücken, hinter Bäumen ducken und sich anschleichen, dann laufen die meisten Elche und Rehe davon, weil sie denken: "Der schleicht sich so komisch an, der führt etwas Böses im Schilde". Geht man ganz normal auf sie zu, dann bleiben sie stehen und werden neugierig- sie kennen die Angst nicht, die die Tiere bei uns haben...
Eines Abends standen wir vor ihrem Haus mitten im Wald und Nija und Augiak sagten meiner Freundin und mir, wir sollten doch mal laut heulen, als wären wir Wölfe.
Naja, was macht man nicht alles, wenn man im tiefen Wald lebt, wir hatten einen Heidenspaß dabei und heulten was das Zeug hielt: "AOOOOOUUUUUUUUUUuuuuuuuuuuu!"
Wenige Sekunden nach unserem Geheul began es im Wald rings um uns laut zu knacken, als würden Menschen darin herum laufen und auf Äste treten.
Ich bekam RICHTIG Angst aber Nija meinte nur: "Da kommt ein Wolf links" und "hier kommt auch einer, der ist kleiner, schaumal" und sie leuchtete mit der Taschenlampe ins Gebüsch vor dem haus und plötzlich starrten mich die reflektierenden Augen einer weißen Wölfin an.
Dieses Erlebnis hat mich so berührt, es war, als hätte die Wölfin meine Seele berührt und ich hab sie nie wieder vergessen können. Nächtelang stand ich vor dem haus und hab geheult, in der Hoffnung sie würde nochmal kommen, aber sie kam nicht. Ich hatte mittlerweile hinter dem haus einen Beobachtungsposten eingenommen auf der Terasse und sass dort stundenlang, um die Wölfin zu sehen.
Als ich Wochen später wieder zu Hause in Österreich war, kam ein Brief von Nijanani und darin ein Foto. Sie hatte mir dazu geschrieben: "Liebe Sonja, heute war die weiße Wölfin an dem Platz wo du immer gesessen bist. Sie wollte sich wohl von dir verabschieden".
Das Foto hab ich heute noch. Die weiße Wölfin ist meine Verbindung zu Kanada.