Auf der Suche nach einem Roman, der in New York spielt, kam ich in meiner Büchersammlung mal wieder auf einen der Buchklassiker überhaupt, einen New York-Klassiker, einen Jungendbuch-Klassiker:
J.D. Salingers "Catcher in the Rye" (Der Fänger im Roggen).
Und erstaunlich: Erstmals mit 14 Jahren gelesen, zählt der 1951 erschienene Fänger im Roggen nach wie vor zu meinen Lieblingsromanen.
Es geht vor allem um drei Tage, die der sechzehnjährige Holden Caulfield allein in New York verbringt, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass er aufgrund schlechter schulischer Leistungen mal wieder von einem Internat fliegen wird.
Es ist kalter Winter, drei Tage vor Beginn der Weihnachtsferien. Genervt von seinen Mitschülern beschliesst er nach einem nächtlichen Streit mit seinem Zimmergenossen Stradlater, der früher am Abend Holdens einstigen Schwarm Jane Gallagher gedated hat, das Internat noch in derselben Nacht zu verlassen. Jedoch will er erst dann nach Hause zu seinen Eltern gehen, nachdem der Brief der Schule mit der Mitteilung über seien Rauswurf bei diesen angekommen sein wird und diese sich - so seine Hoffnung - bereits wieder etwas beruhigt haben werden.
So mietet er sich in der Stadt für eine Nacht in einem billigen Hotel ein und streift auf der Suche nach menschlicher Nähe, Ehrlichkeit und Empathie durch Manhattan.
Doch was ihm in den Straßen, Bars und Restaurants oder im Hotel begegnet, sind vor allem falsche, aufgesetzte Vertreter der Welt der Erwachsenen: Verständnislose Taxifahrer, desinteressierte Prostituierte, ein schmieriger Zuhälter, "perverse" Sonderlinge, oberflächliche Touristinnen, egozentrische Aufschneider und falsche Freunde, die ihn allesamt lediglich noch mehr deprimieren.
Schliesslich gelingt es ihm, sich ohne Kenntnisnahme seiner Eltern heimlich mit seiner zehnjährigen Schwester Phoebe zu treffen - einer der ganz wenigen Menschen, die Holden nicht deprimieren, da sie nicht aufgesetzt und falsch sind, sondern zuhören, verstehen und mitfühlen können (wie u.a. auch sein verstorbener Bruder Allie, ein ehemaliger Lehrer oder Jane Gallagher).
Dabei bringt ihn die kleine Phoebe dazu, sich selbst zu reflektieren, indem sie ihn fragt, ob es denn überhaupt etwas gäbe, was er wirklich gerne machen oder sein würde. - Und hier kommt der Buchtitel ins Spiel, denn Holden erinnert sich an ein Gedicht, welches er allerdings falsch in Erinnerung hat:
„If a body meet a body coming through the rye“ („Wenn jemand jemanden trifft, der durch den Roggen kommt“) lautet in seiner Erinnerung
„If a body catch a body coming through the rye“ („Wenn jemand jemanden fängt, der durch den Roggen kommt“).
Und genau das möchte er sein: Der Fänger im Roggen, der in einem Roggenfeld spielende Kinder davor bewahrt, versehentlich den nahegelegenen Abbgrund hinabzustürzen, indem er sie vorher fängt. Im übertragenen Sinn also derjenige, der die Kinder davor bewahrt,
ihre Unschuld zu verlieren und in die Falschheit und Verlogenheit der Erwachsenenwelt abzustürzen.
In der Realität entscheidet er sich dann jedoch dafür, New York und seine Familie zu verlassen, um im Westen sein Glück zu suchen.
Nicht aber wie sein älterer Bruder D.B., der sich in Hollywood als Drehbuchautor "prostituiert", wie Holden es nennt, sondern als vermeintlich Taubstummer in einer einsamen Waldhütte, damit er nie mehr an den heuchlerischen Konversationen seiner Mitmenschen teilhaben muss.
Vorher möchte er sich aber noch von Phoebe verabschieden ...
Ein tolles, empfehlenswertes (Jugend-) Buch - auch heute noch, vor allem in Bezug auf die unterschwellige Kritik an einer Gesellschaft,
die vor allem oberflächlich, Ich-bezogen und verlogen ist.
Ich besitze das Buch im englischen Original und war noch nie ein Fan der deutschen Übersetzung, muss aber hinzufügen, dass es inzwischen neuere geben soll, die möglicherweise besser sind als diejenige von Heinrich Böll, welche ich kenne.
"Problem" ist der Sprachstil, der eine damalige, schnodderige und mit Fluchwörtern gespickte Umgangssprache wiedergibt, die zum einen damals nicht jedem passte und zum anderen nicht ganz einfach 1:1 in eine äquivalente deutsche Umgangssprache zu übersetzen war.
Interessantes Detail am Rande: Ganz am Anfang liest Holden zum wiederholten Mal den Roman "Out of Africa" von Isak Dinesen (aka Tania Blixen), ein weiteres meiner persönlichen Lieblingsbücher.
Hier der Link zu Buchempfehlungen New York & Kalifornien