"Empört euch!" - zum Tod von Stéphane Hessel

  • Stéphane Hessel ist in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 95 Jahren gestorben.

    Falls ihr ihn nicht "kennen" solltet - er war KZ-Überlebender, Résistance-Kämpfer, Mitautor der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, Uno-Botschafter in Genf und wurde im Alter von 92 Jahren (!) zum Bestsellerautor durch einen kurzen, aber aufrüttelnden und sehr lesenswerten Essay: "Empört euch!"

    Zwei Zitate daraus:

    "... in dieser Welt gibt es unerträgliche Dinge. Um sie zu sehen, muss man sehr genau hinschauen,
    suchen. Ich sage den jungen Leuten: „sucht ein bisschen, ihr werdet sie finden“.
    Die schlimmste Haltung ist die Gleichgültigkeit, die bedeutet: „ich kann nichts
    dafür, ich komme schon klar“. Mit einem solchen Verhalten verliert ihr einen
    unverzichtbaren Bestandteil der Menschlichkeit. Es ist die Empörung und das
    daraus resultierende Engagemen
    t ..."

    "... Wir rufen deshalb auf: „zu einem friedlichen Aufstand gegen den Missbrauch der
    Massenkommunikationsmittel und der Verführung unserer Jugend zum
    Massenkonsum, der Verachtung der Schwächsten und der Kultur, der kollektiven
    Amnesie sowie der maßlosen Konkurrenz – Jeder gegen Jeden“
    ..."


    Übersetzung "Empört Euch!":

    http://jerome-segal.de/empoert_euch.pdf

    Kurzbericht (Video):

    http://www.youtube.com/watch?v=jAT55zVe7C8


    Mich beeindruckt dieser kurze, kompakte Text immer noch, seit ich ihn das erste Mal gelesen habe, und ich hoffe, dass möglichst viele ihn auch künftig lesen werden - ob jung oder alt.

    Man lässt sich ja so leicht vom Alltag einlullen und sagt oder denkt genau das, was er im ersten Zitat formuliert:
    "... die Gleichgültigkeit, die bedeutet: „ich kann nichts dafür, ich komme schon klar“ ..." - und bleibe deshalb lieber faul auf dem Sofa liegen oder züchte Orchideen als aufzustehen und mich zu "empören" (engagieren).

    Aber genau so ist es "ihnen" Recht.
    Wem?
    - Den Politikern, Großkonzernen, Banken und allen andern, die uns nur als brave Konsumenten, Zahler und Stimmvieh bei Wahlen haben wollen, um für sich immer noch mehr Macht & Reichtum anzuhäufen, koste es was es wolle (Ausbeutung, Verarmung, Einschränkung von Rede-/Meinungs-/Pressefreiheit, Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung, Abschiebung, etc ...).

    Wir sollten seine Worte nicht nur lesen, sondern sie auch im Kopf behalten, uns immer und immer wieder an sie erinnern - und uns dann auch ab und an mal wirklich empören und aufstehen.


    R.I.P.

  • Aber sollte es nicht dennoch genug Menschen geben, denen eigenständiges Denken nicht fremd ist - oder täusche ich mich da allzu sehr? ???

    Aber wahrscheinlich gibt es tatsächlich leider mehr Leute, die eher eine Nacht vor einem Apple-Store übernachten würden, um das neueste "i"-XY-Produkt kaufen zu "dürfen" (= brave Konsumenten), als mal an einer Demo teilzunehmen o.ä., nur ein Beispiel, es gibt ja viele Formen des "Sich-Empörens".

  • ]


    eigenständiges Denken ... - daran fehlt es doch schon!


    man kann es sich abgewöhnen ... {e

    man kann es wieder neu lernen ,
    wir können es üben ...
    man kann sich durch den Mut und die Beharrlichkeit anderer Menschen unterstützt fühlen ~^^
    sich zu empören !!!

    ... als mal an einer Demo teilzunehmen o.ä., nur ein Beispiel, es gibt ja viele Formen des "Sich-Empörens".

    mein Ausdruck des Empörens findet jetzt gerade oft in Gesprächen statt ...
    manchmal wird mir gesagt - ich denke zu viel ...
    ab und zu bekomme ich Anerkennung für die Ideen , die aufrütteln oder zur eigenen Empörung führen

  • SeeStern, ich glaube nicht, dass "Denken" abgewöhnt werden kann. Und ein zuviel an konstruktivem Denken gibt es nicht.
    Lediglich negative, zu keinem Ziel führende Gedankenmuster müssen verändert werden.
    Und ich persönlich finde die negative Besetzung des Wortes empören falsch; sich empor heben aus einer Masse ist doch etwas Besonderes ;)

  • Danke Silke für den Beitrag.
    Ich gebe zu,mir sagte der Name bis gestern nichts.
    Und reden alleine hilft nicht.Reden und empören tun wir uns viel in unserer Familie oder mit anderen.Aber wenn es darum geht am Ostersonnabend bei nasskaltem Wetter in die Stadt hereinzufahren um an Ostermärschen teilzunehmen, hat sich meine Emppörung gelegt....
    Das hat mit Denken abgewöhnen nichts zu tun, sondern mit einer im Laufe der Jahre eingetretenen Ermüdung. Wieviele Demokilometer haben ich hinter mir gegen Atomkraft, Probleme in der Schule ... alleine, mit Baby im Wagen, mit Kindern an der Hand....Ich gebe offen zu, ich mag nicht mehr. Natürlich ist das falsch.Ich denke drüber nach.
    Und irgendwie versuche ich insbesondere durch meine Arbeit für die ghanaischen Mandanten meinen Teil am Ganzen beizutragen, denn da gibt es auch viel zu Empören
    Ich werde den Text einmal lesen

    "Was gäbe ich für Küsse, wie kalte Kirschen, Zeit wie Sand am Meer.Was gäbe ich her, wenn jeder Tag wie der erste des Sommers wär" (Zitat aus dem Song "Engel" der Gruppe MIA)

    http://rosentaenzerin.wordpress.com/

  • Mist, jetzt habe ich ellenlang dazu geschrieben und mein Laptop ist einfach runtergefahren.
    Ich habe mir das gesamte Stück mal hier durchgelesen.
    Allen Aussagen kann ich jedoch nicht zustimmen, vor allem, was die Jugend betrifft. Ich denke nicht alle Heranwachsenden sind so, wie von ihm beschrieben. Es gibt auch viele Jugendliche, die sich viele Gedanken machen.

    Die Frage, die ich mir stelle, ist auch, ob das auf alle Jugendlichen der Welt übertragbar ist.

    Aber in vielen Dingen ist es schon eine Überlegung wert. Wir sollten nicht alles mit uns gefallen lassen. Im Gegensatz zu den 40/50 Jahren denke ich aber auch, dass sich schon vieles gewandelt hat.

    Mehr Empörung wünsche ich mir manchmal auch, denn es geht nicht immer gerecht zu. Man kann ja mit kleinen Dingen anfangen.

    Viele Grüße
    Petra

  • Ich sehe das schon als Empörung, das Wahre Gesicht des Krieges publik zu machen, siehe z.B. das "Collateral murder" Video.

    http://www.collateralmurder.com/

    Es geschah, wurde sogar dokumentiert. Jemand bekommt es mit und - empört sich (zum Glück!) und veröffentlicht es bzw. in diesem Fall: gibt es weiter zur Veröffentlichung (dto.). Und viele andere (Kriegs-)untaten/Menschenrechtsverletzungen auch, z.B. im Irak, in Afghanistan oder in Guantanamo.

    Das Thema ist gerade wieder etwas aktuell - leider wie immer nicht so in deutschen Medien.

    http://www.cbsnews.com/8301-201_162-5…lust/?tag=socsh

    Ein Zitat daraus:

    "... "I believed that if the general public, especially the American public, had access to the information ... this could spark a domestic debate on the role of the military and our foreign policy in general," Manning said..."


    Wenn das kein "Sich empören" ist..

  • Ok, ich hatte eine andere Definition, scheinbar hat sich die Bedeutung gewandelt, wie ich gerade nachlesen konnte:

    Zitat


    1. etwas empört jemanden etwas, das jemand sagt od. tut, macht jemanden wütend; [Vr]
    2. sich über jemanden/etwas empören über jemanden/etwas wütend werden: Ich habe mich über seine Bemerkungen empört
    3. sich gegen jemanden/etwas empören veraltet; gegen jemanden/etwas rebellieren od. einen Aufstand machen


    Quelle

    oder auch hier

    ---
    Warum ist das Thema bei uns in den Medien nicht aktuell? Warum wird nicht darüber berichtet? Wenn die öffentlichen Medien das nicht aufgreifen, dann könnten es doch andere tun. Oder ist Amerika zu weit weg und wir haben hier genug Probleme in Europa?

    Umgekehrt ist es aber genau so. In den Medien von USA kommen so gut wie keine Nachrichten aus Europa.
    Viele Grüße
    Petra

  • Warum ist das Thema bei uns in den Medien nicht aktuell? Warum wird nicht darüber berichtet? Wenn die öffentlichen Medien das nicht aufgreifen, dann könnten es doch andere tun. Oder ist Amerika zu weit weg und wir haben hier genug Probleme in Europa?

    Umgekehrt ist es aber genau so. In den Medien von USA kommen so gut wie keine Nachrichten aus Europa.
    Viele Grüße
    Petra

    Momentan ist es aus aktuellem Anlass zwar auch wieder etwas mehr in deutschsprachigen Medien präsent, aber wird bald wieder abtauchen. Aber wer kennt auch schon Bradley Manning hier, auch in meinem Freundeskreis nur wenige.
    Aber wenn so selten darüber berichtet wird ist's auch kein Wunder. Dabei gibt es im Internet viele Unterstützer, Kampagnen und Aktionen.

    Immerhin - die Zeit hat nun einen Artikel ins Deutsche übersetzt (bravo - toller Qualitätsjournalismus, haha), den ich zuvor als Link im Original gepostet hatte. Das haben sie echt brav gemacht, und auch nur 2 Tage später (darum lese ich oft auch lieber englischsprachige Nachrichten - sind aktueller):

    http://www.zeit.de/politik/auslan…otive-wikileaks

    Ich finde Mannings Zitat zum "Collateral Murder"-Video sehr treffend:

    "..Das Video zeigt auch einen Menschen, der verletzt im Staub liegt. Man hört einen US-Soldaten im Helikopter sagen, er wünschte, dass der Verletzte nach einer Waffe greifen würde, damit er ihn töten könne. "Auf mich wirkte das wie ein Kind, das mit einer Lupe einen Frosch quält", sagte Manning ..."

    Genau so war es, wie man im Video sehen/hören/lesen kann.
    Diese unglaubliche Begierde, zu töten - da fehlen mir echt die Worte und es macht mich wütend und traurig zugleich.

    Von daher bin ich froh darüber, dass jemand diese Fakten ans Licht gebracht hat.

  • Meinst Du denn, nur bei den Amerikanern ist das so? Dass im Krieg Menschen getötet werden? Dass die Soldaten verrohen? Ist das nicht generell ein Problem? Wie soll denn ein eingezogener Soldat damit umgehen? Ich stelle es mir sehr schwierig vor und ich bin froh, dass meine beiden Kinder keinen Wehrdienst abgeleistet haben.

    Ich finde es aber nicht schlimm, dass der Name Mannings hier nicht so präsent ist. Hier in Deutschland und Europa gibt es ja auch genügend Fälle, die eigentlich aufgedeckt werden müssen. Und wo bleiben die Machenschaften in Asien und die Berichte über die Korruptionen in Afrika? Aber ich stecke da vielleicht einfach nicht so tief drin und vor allem habe ich auch noch arge Probleme mit "unserer" Vergangenheit. Und glaube mir, auch hier bei uns gäbe es sicher genügend Material. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann es aufgedeckt wird. Ab und zu kommt ja mal was an Licht.

  • Natürlich gibt es leider noch unzählige Menge Missstände, Ungerechtigkeiten etc... überall auf der Welt.
    Die meisten kommen gar nicht erst ans Tageslicht oder die Nachrichten darüber verbreiten sich einfach nicht weit und stark genug.

    Es müsste aber halt auch einfach mehr mutige "Whistleblower" wie Bradley Manning geben - wer soll das alles sonst aufdecken und ans Tageslicht bringen?
    Wenn keiner etwas zu Missständen sagt, die er täglich mitansehen muss, oder diese publik macht, sei es nun hierzulande oder sonstwo auf der Welt, ändert sich nie etwas.

    Und richtige investigative, kritische Journalisten gibt es leider auch nicht (mehr?) viele.

    Ich lese z.B. sehr gerne Glenn Greenwald, der leider vom vergleichsweise kleinen http://www.salon.com zum guardian (ausgerechnet!) gewechselt ist.
    Greenwald ist als US-Amerikaner natürlich sehr USA-spezifisch und -kritisch, aber seine Artikel sind meistens einfach sehr gut. Du siehst: USA-Kritik kommt sehr wohl auch von US-Amerikanern - man lese nur mal Noam Chomsky, aber hallo!
    Leider kenne ich weder zu Greenwald noch zu Chomsky ein deutsches Äquivalent.

    Im vorliegenden Bradley- Fall ist halt nunmal durch ihn etwas bzw. mehreres ans Tageslicht gekommen, und da sollte man dann schon die Scheinwerfer draufhalten, da es eben eindeutiges Beweismaterial gibt, da man es einfach beweisen, was geschehen ist etc...

  • Stimmt, Du hast ja Recht, man sollte um alles froh sein, was aufgedeckt wird. Es wird allgemein viel zu viel unter den Teppich gekehrt, leider... Ich wünsche mir hier in Deutschland auch mal Menschen die mutig genug sind, "sich zu empören"!

  • Ja, das ist wohl wahr.
    Ist es nicht seltsam, dass es im Deutschen gar kein adäquates Wort für "Whistleblower" gibt?
    Hier gibt es nur im negativen Sinn: "Verräter", "Spion", "Petze", etc ... Aber nichts in einem positiven Kontext, dass jemand auf Missstände aufmerksam machen will.
    Hmmm, mir fält nix ein ...

  • Es dringt ja schon einiges in die Öffentlichkeit, gerade auch von der Bundeswehr, wenn Soldaten gequält werden, oder Soldaten Unschuldige quälen, wenn Tiere von Menschen gequält werden, wenn Profit mit Lebensmitteln gemacht werden, die verseucht sind, wenn es um Abschiebungen geht, um Waffenunterstützung und so weiter und so sofort.
    Ich glaube, Themen gäbe es genug, nur, es versandet hier bei uns. Zwei Tage ganz weit oben und dann interessiert es keinen mehr. Wir wollen uns nicht mit solchen Dingen auseinandersetzen...

  • Der Ausdruck "Whistleblower" ist leider bei uns sehr negativ behaftet.
    Ich hoffe, dass der europäische Gerichtshof hier eine Vorreiterrolle spielt und dass es dann möglich ist, auch Gesetzesverstöße des eigenen Arbeitgebers anzuprangern. Siemens hat da gerade Feuer unterm Dach.
    Was Bradley Manning gemacht hat, ist natürlich ein anderes Kaliber und verdient eigentlich Bewunderung.

  • Ja, dieser Siemens-Fall ist schon auch skurril:
    Da setzt man einen Compliance Manager ein - also jemanden, der für die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien im Unternehmen Sorge tragen soll - und wenn er seinen Job richtig macht, wird er gekickt ... :cconfused

    Ich weiss auch nicht, warum "Whistleblower" hier in Deutschland eher negativ behaftet ist.

    Muss wohl ganz generell an der deutschen Mentalität liegen (ich sage "generell" - d.h. ich weiss, dass es auch zahlreiche Ausnahmen gibt!), sich bloss ducken und fügen, nix sagen ... - Kann man das so sagen? Oder woran mag es liegen? {e

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