Ich habe vor einiger Zeit einer Freundin ein Buch zum Geburtstag geschenkt, das ich selbst nicht kannte, welches mich aber irgendwie im Buchladen angesprungen hatte.
Geschenkt und - vergessen ...
Nun habe ich die Freundin kürzlich wieder getroffen und sie gab mir das Buch zum Lesen mit, da es ihr anscheinend gefallen hatte.
So, und nun war ich die folgenden Tage in jeder freien Minute am Lesen, hing in diesem dicken Wälzer wie in einem mitreissenden Strudel und bin jetzt noch ganz aufgewühlt.
Vor allem frage ich mich: Wie konnte ich dieses Buch so lange übersehen und dann auch noch vergessen?
Unverzeihlich. Darum habe ich jetzt eine Rezension geschrieben und möchte diesen Roman damit allen wärmstens empfehlen!
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Rohinton Mistry - Das Gleichgewicht der Welt
Durch Zufall lernen sich auf einer Zugfahrt nach Bombay die einfachen Schneider Ishvar und sein Neffe Omphrakash und der aus gutem Hause stammende Student Maneck kennen. Rasch stellt sich heraus, dass sie das gleiche Ziel in der grossen Stadt haben, das Haus der Schneiderin Dina Dalal, bei welcher sich Ishvar und Omphrakash Arbeit erhoffen, Maneck ein Zimmer zur Untermiete.
Von diesem Zeitpunkt an beginnen sich ihre Schicksalsfäden vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Herkunft mehr und mehr miteinander zu verweben. Dabei erfährt der Leser nicht nur die ereignisreichen Lebensgeschichten der vier Hauptcharaktere des Romans, sondern nimmt auch an ihrem Alltagsleben, ihren Nöten und Ängsten, Sorgen und Freuden teil.
Dies erzählt Rohinton Mistry auf so intensive, mitreissende, lebendige und berührende Art und Weise, dass man als Leser gar nicht anders kann, als sich emotional in den Strudel der Ereignisse mit hineinziehen und ins Indien der Jahre zwischen 1975 und 1984 entführen zu lassen.
Innenpolitisch gesehen ist es eine unruhige Zeit, diese erste Amtszeit Indira Gandhis als Premierministerin des Landes. Ausnahmezustand, behördliche Willkür, Zwangsmassnahmen sowie die zunehmende Beschneidung von Freiheiten und Bürgerrechten prägen das Alltagsleben - und natürlich treffen die Auswirkungen dieser Zustände vor allem die praktisch entrechteten Angehörigen der unteren Kasten. Eine grausige Berg- und Talfahrt des Lebens nimmt ihren Lauf, die ihren Protagonisten nichts erspart.
In der Erzählung wird „Das Gleichgewicht der Welt“ an einigen Stellen symbolisiert, einmal durch das Schachspiel, das Maneck von einem Studienfreund geliehen bekommt, ein andermal durch einen Strassenkünstler, der auf einer langen Stange zwei kleine Kinder balanciert. Stärkstes Symbol jedoch ist eine Patchwork-Decke, an welcher Dina tagtäglich näht: Jeder der unzähligen, bunten Flicken erinnert die Protagonisten an ein bestimmtes Ereignis auf ihren miteinander verwobenen Lebenswegen, sei dieses rückblickend betrachtet nun gut oder schlecht, und lässt so Freud und Leid, Glück und Unglück zu einem grossen Ganzen verschmelzen.
Fazit:
Ein grossartiges Buch; ein aufwühlendes Buch; ein unbarmherziges Buch – ein Buch wie das Leben selbst.
Keine Seite zu lang, kein Ereignis oder Nebendarsteller zu unbedeutend.
Eine absolute Leseempfehlung, nicht nur für Indien-Interessierte.
P.S.: Ich bekomm jetzt noch fast Gänsehaut beim Schreiben ...